BGH VIII ZR 361/03
BGH VIII ZR 361/03
Zur Unwirksamkeit einer mietvertraglichen Formularklausel, durch die dem Mieter die Ausführung der Schönheitsreparaturen nach einem "starren" Fristenplan auferlegt wird.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03 - LG Frankfurt am Main, AG Frankfurt am Main
Zur Unwirksamkeit einer mietvertraglichen Formularklausel, durch die dem Mieter die Ausführung der Schönheitsreparaturen nach einem "starren" Fristenplan auferlegt wird.
BGH, Urteil vom 23. Juni 2004 - VIII ZR 361/03 - LG Frankfurt am Main, AG Frankfurt am Main
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Juni 2004
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung eines Vorschusses auf Kosten von Schönheitsreparaturen.
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in der B. Straße in F.; dem Kläger wurde nachfolgend ein Nießbrauch an diesem Grundstück eingeräumt. § 16 Ziff. 4 des Formularmietvertrags vom 15. Oktober 1979 enthält unter anderem folgende Regelung:
"Der Mieter ist insbesondere verpflichtet, auf seine Kosten die Schönheitsreparaturen (…) in den Mieträumen, wenn erforderlich, mindestens aber in der nachstehenden Zeitfolge fachgerecht auszuführen. …
Die Zeitfolge beträgt:
bei Küche, Bad und Toilette -2 Jahre,
bei allen übrigen Räumen -5 Jahre."
Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe seit Beginn des Mietverhältnisses im November 1979 keine Schönheitsreparaturen durchgeführt. Hierzu sei sie mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vergeblich aufgefordert worden. Die Beklagte ist der Auffassung, die Schönheitsreparaturklausel sei unwirksam.
Der Kläger hat mit seiner Klage Zahlung eines Betrags von 4.825,16 € als Vorschuß für die Ausführung der Schönheitsreparaturen nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte ist im Revisionsverfahren unvertreten geblieben.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses zur Sicherung nach Auszug der Mieterin notwendiger Schönheitsreparaturen, da die Beklagte zu deren Ausführung nicht verpflichtet sei. Die Formularklausel in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags sei unwirksam; sie stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar und verstoße zudem gegen § 309 Nr. 5 BGB analog. Die für Küche, Bad und WC vorgesehene Renovierungsfrist von zwei Jahren liege unterhalb der allgemein anerkannten Frist von drei Jahren. Diese Fristenverkürzung benachteilige wegen der mit der Frist verbundenen Beweislastumkehr, daß tatsächlich kein Renovierungsbedarf bestehe, den Mieter unangemessen. Die Klausel sei allerdings nicht nur insoweit, sondern insgesamt unwirksam. Durch die Formulierung, daß "mindestens" nach Ablauf der genannten Fristen zu renovieren sei, werde dem Mieter der Beweis abgeschnitten, daß sich die Räume tatsächlich nicht im dekorationsbedürftigen Zustand befänden, etwa aufgrund längerer Abwesenheitszeiten oder einer nur teilweisen Nutzung. Eine derartige Vereinbarung fester Renovierungsfristen - unabhängig vom tatsächlichen Zustand der Mieträume - benachteilige den Mieter unangemessen; sie sei zudem in entsprechender Anwendung des § 309 Nr. 5 BGB unwirksam.
II.
Dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Die Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vorschußzahlung wegen der von ihm behaupteten Kosten von Schönheitsreparaturen. Die Beklagte ist zur Ausführung von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB beziehungsweise § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist, da die Formularklausel den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
1. Das Berufungsgericht hat die in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltene Fälligkeitsregelung, wonach Schönheitsreparaturen wenn erforderlich, mindestens aber in der Zeitfolge von zwei Jahren in Küche, Bad und Toilette sowie von fünf Jahren in allen übrigen Räumen auszuführen sind, zu Recht als Vereinbarung verbindlicher Renovierungsfristen ausgelegt. Diese Auslegung unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht, da der vom Landesverband der Hessischen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. herausgegebene Formularmietvertrag im Land Hessen und damit über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung findet (vgl. BGHZ 98, 256, 258; 134, 42, 45; Senat, Urteil vom 19. März 2003 - VIII ZR 135/02, WM 2003, 1092 = NJW 2003, 2607 unter II 1 a). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 102, 384, 389 f.; BGH, Urteil vom 23. Mai 2003 - V ZR 393/02, WM 2003, 1967 unter II 1 a; Senatsurteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 90/02, WM 2004, 748 = NJW-RR 2004, 262 unter II 1, jeweils m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Revision ist der in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltene Fristenplan nicht lediglich als Richtlinie in dem Sinne zu verstehen, daß nach Fristablauf ein Anschein für die Renovierungsbedürftigkeit der Wohnung spricht. Vielmehr liegt eine "starre" Fälligkeitsregelung vor. Nach dem Wortlaut der Klausel sind die Schönheitsreparaturen "wenn erforderlich, mindestens aber" nach dem dort aufgeführten Fristenplan auszuführen. Dies kann aus der Sicht eines verständigen Mieters nur die Bedeutung haben, daß er zur Ausführung der Renovierungsarbeiten in Küche, Bad und Toilette spätestens nach zwei Jahren und in allen übrigen Räumen spätestens nach fünf Jahren verpflichtet ist, auch wenn die gemieteten Räume nach ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild noch nicht renovierungsbedürftig sind.
2. Die in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltene "starre" Fälligkeitsregelung ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, da sie dem Mieter ein Übermaß an Renovierungsverpflichtungen auferlegt (vgl. BGHZ 101, 253, 263 f.).
a) Formularklauseln, die einen starren Fristenplan vorsehen, werden in Rechtsprechung und Literatur verbreitet als unzulässig angesehen (LG Marburg ZMR 2000, 539, 540 f.; LG Berlin GE 1999, 983; Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 538 Rdnr. 223 f. m.w.N.; MünchKommBGB/Voelskow, 3. Aufl., §§ 535, 536 Rdnr. 104; Häublein, ZMR 2000, 139, 141 m.w.N.; Kinne in Börstinghaus, Mietrecht in der Praxis, Fach 3 Rdnr. 18/1; a.A. Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III A Rdnr. 1070).
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung eines Vorschusses auf Kosten von Schönheitsreparaturen.
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in der B. Straße in F.; dem Kläger wurde nachfolgend ein Nießbrauch an diesem Grundstück eingeräumt. § 16 Ziff. 4 des Formularmietvertrags vom 15. Oktober 1979 enthält unter anderem folgende Regelung:
"Der Mieter ist insbesondere verpflichtet, auf seine Kosten die Schönheitsreparaturen (…) in den Mieträumen, wenn erforderlich, mindestens aber in der nachstehenden Zeitfolge fachgerecht auszuführen. …
Die Zeitfolge beträgt:
bei Küche, Bad und Toilette -2 Jahre,
bei allen übrigen Räumen -5 Jahre."
Der Kläger trägt vor, die Beklagte habe seit Beginn des Mietverhältnisses im November 1979 keine Schönheitsreparaturen durchgeführt. Hierzu sei sie mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 unter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung vergeblich aufgefordert worden. Die Beklagte ist der Auffassung, die Schönheitsreparaturklausel sei unwirksam.
Der Kläger hat mit seiner Klage Zahlung eines Betrags von 4.825,16 € als Vorschuß für die Ausführung der Schönheitsreparaturen nebst Zinsen verlangt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte ist im Revisionsverfahren unvertreten geblieben.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses zur Sicherung nach Auszug der Mieterin notwendiger Schönheitsreparaturen, da die Beklagte zu deren Ausführung nicht verpflichtet sei. Die Formularklausel in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags sei unwirksam; sie stelle eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB dar und verstoße zudem gegen § 309 Nr. 5 BGB analog. Die für Küche, Bad und WC vorgesehene Renovierungsfrist von zwei Jahren liege unterhalb der allgemein anerkannten Frist von drei Jahren. Diese Fristenverkürzung benachteilige wegen der mit der Frist verbundenen Beweislastumkehr, daß tatsächlich kein Renovierungsbedarf bestehe, den Mieter unangemessen. Die Klausel sei allerdings nicht nur insoweit, sondern insgesamt unwirksam. Durch die Formulierung, daß "mindestens" nach Ablauf der genannten Fristen zu renovieren sei, werde dem Mieter der Beweis abgeschnitten, daß sich die Räume tatsächlich nicht im dekorationsbedürftigen Zustand befänden, etwa aufgrund längerer Abwesenheitszeiten oder einer nur teilweisen Nutzung. Eine derartige Vereinbarung fester Renovierungsfristen - unabhängig vom tatsächlichen Zustand der Mieträume - benachteilige den Mieter unangemessen; sie sei zudem in entsprechender Anwendung des § 309 Nr. 5 BGB unwirksam.
II.
Dies hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Die Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vorschußzahlung wegen der von ihm behaupteten Kosten von Schönheitsreparaturen. Die Beklagte ist zur Ausführung von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet. Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB beziehungsweise § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist, da die Formularklausel den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
1. Das Berufungsgericht hat die in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltene Fälligkeitsregelung, wonach Schönheitsreparaturen wenn erforderlich, mindestens aber in der Zeitfolge von zwei Jahren in Küche, Bad und Toilette sowie von fünf Jahren in allen übrigen Räumen auszuführen sind, zu Recht als Vereinbarung verbindlicher Renovierungsfristen ausgelegt. Diese Auslegung unterliegt der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht, da der vom Landesverband der Hessischen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. herausgegebene Formularmietvertrag im Land Hessen und damit über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung findet (vgl. BGHZ 98, 256, 258; 134, 42, 45; Senat, Urteil vom 19. März 2003 - VIII ZR 135/02, WM 2003, 1092 = NJW 2003, 2607 unter II 1 a). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind gemäß ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. BGHZ 102, 384, 389 f.; BGH, Urteil vom 23. Mai 2003 - V ZR 393/02, WM 2003, 1967 unter II 1 a; Senatsurteil vom 22. Dezember 2003 - VIII ZR 90/02, WM 2004, 748 = NJW-RR 2004, 262 unter II 1, jeweils m.w.N.).
Entgegen der Auffassung der Revision ist der in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltene Fristenplan nicht lediglich als Richtlinie in dem Sinne zu verstehen, daß nach Fristablauf ein Anschein für die Renovierungsbedürftigkeit der Wohnung spricht. Vielmehr liegt eine "starre" Fälligkeitsregelung vor. Nach dem Wortlaut der Klausel sind die Schönheitsreparaturen "wenn erforderlich, mindestens aber" nach dem dort aufgeführten Fristenplan auszuführen. Dies kann aus der Sicht eines verständigen Mieters nur die Bedeutung haben, daß er zur Ausführung der Renovierungsarbeiten in Küche, Bad und Toilette spätestens nach zwei Jahren und in allen übrigen Räumen spätestens nach fünf Jahren verpflichtet ist, auch wenn die gemieteten Räume nach ihrem tatsächlichen Erscheinungsbild noch nicht renovierungsbedürftig sind.
2. Die in § 16 Ziff. 4 des Mietvertrags enthaltene "starre" Fälligkeitsregelung ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB bzw. § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 AGBG unwirksam, da sie dem Mieter ein Übermaß an Renovierungsverpflichtungen auferlegt (vgl. BGHZ 101, 253, 263 f.).
a) Formularklauseln, die einen starren Fristenplan vorsehen, werden in Rechtsprechung und Literatur verbreitet als unzulässig angesehen (LG Marburg ZMR 2000, 539, 540 f.; LG Berlin GE 1999, 983; Langenberg in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 538 Rdnr. 223 f. m.w.N.; MünchKommBGB/Voelskow, 3. Aufl., §§ 535, 536 Rdnr. 104; Häublein, ZMR 2000, 139, 141 m.w.N.; Kinne in Börstinghaus, Mietrecht in der Praxis, Fach 3 Rdnr. 18/1; a.A. Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III A Rdnr. 1070).
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Entscheidung abgedruckt in: NJW 2004, 2586
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